Gerhard Marschütz untersucht die katholische Kritik an Gender-Theorien. Er stellt die These auf, dass die katholische Kirche Gender mit einer Ideologie gleichsetzt, die losgelöst von biologischen Vorgaben Geschlecht als frei wählbar und veränderbar versteht. Dieser radikalen Trennung von Sex und Gender widerspreche die katholische Lehre, welche die binäre Verschiedenheit der Geschlechter als in der Schöpfung verankert begreife.
In seiner Kritik analysiert er zunächst Positionen von Judith Butler, einer zentralen Persönlichkeit der Anti-Gender-Literatur. Entgegen der katholischen Interpretation betont Butler, dass es biologische Geschlechtsunterschiede gäbe, diese aber nur über einen kulturell geprägten Diskurs verstanden werden können. Es wird herausgestellt, dass Butler keine willkürliche Wählbarkeit von Geschlecht propagiert, sondern aufzeigen will, wie bestimmte Formen sexuellen Begehrens und Geschlechtsidentität diskursiv ausgeschlossen würden.
Als Hintergrund der katholischen Genderkritik wird das juridisch-naturrechtliche Denkformat ausgemacht. Dies geht von einem göttlichen Naturgesetz aus, das als unveränderlicher Wille Gottes verstanden wird. Es steht damit im Widerspruch zu Gender-Theorien, die Natur und Geschlecht als soziale Konstruktionen begreifen. Es wird für eine Öffnung hin zu einem personal-hermeneutischen Denkformat plädiert, das Freiheit und Inklusion in den Mittelpunkt stellt. Damit könnte die katholische Kirche „jene Personen einzuschließen, die in einem juridisch-naturrechtlichen Denkformat nur als außerhalb der Schöpfungsordnung stehend in den Blick gelangen“.