Herausforderung Frieden

Was können die Religionen heute zum Frieden beitragen? Darüber diskutierte das Theologische Forum Christentum – Islam bei seiner Jahrestagung.

Christentum und Islam beanspruchen in unterschiedlichen Weisen für sich, Religionen des Friedens zu sein. Die Friedensthematik ist bei beiden Religionen in Schrift, Glaubensweisen und Weltdeutung zentral und grundlegend verankert. Vor allem in interreligiösen Gesprächen wird vielfach auf das friedensstiftende Potenzial der Religionen verwiesen; zahlreiche gemeinsame Erklärungen, Projekte und Aktionen setzen sich für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben ein. Und doch sind beide Traditionen weltweit auch immer wieder selbst beteiligt daran, dass Kriege, Gewalt, Extremismus und Hass in unterschiedlichsten Kontexten entstehen und geschürt werden. Nicht selten werden Konfliktlinien an religiösen Grenzen markiert oder religionsinterne Auseinandersetzungen mit Gewalt ausgetragen.

Was heißt das nun in der aktuellen, nicht eben friedlichen Situation Europas und der Welt? Darüber hat das „Theologische Forum Christentum – Islam“ diskutiert (Tagungsprogramm und Videos). Diesem seit 2003 bestehenden, internationalen Netzwerk gehören Theolog:innen beider Religionen an. Zur Jahrestagung kamen nun mehr als hundert von ihnen nach Stuttgart-Hohenheim.

Eingeleitet wurde das Treffen mit einem Impulsvortrag des Augsburger Bischofs Bertram Meier, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz. Meier sagte, das wissenschaftliche Netzwerk des Forums Christentum-Islam sei mit seinem Fokus auf den theologischen Diskurs „eine wichtige Stütze unserer interreligiösen Beziehungen geworden.“ Es ermögliche „nicht nur ein vertieftes wechselseitiges Verständnis, sondern auch das gemeinsame christlich-muslimische Ringen um Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit.“

Meier verwies auch auf die „genuine Friedensverantwortung der Religionen.“ Er sagte: „Es verbietet sich, mit dem Finger nur auf die radikalen Gruppen der jeweils anderen Religionsgemeinschaft zu zeigen. Vielmehr müssen wir wahrnehmen, dass Personen und Gruppen in unterschiedlichen Religionen sich dieser Sünde schuldig machen. Besonders bedrückend ist in unseren Tagen die Tatsache, dass der russisch-orthodoxe Patriarch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine religiös zu rechtfertigen sucht. Wer Gott fürchtet, muss sich einer solchen Instrumentalisierung von Religion entgegenstellen.“ Und: „Wir sind davon überzeugt, dass es keinen Frieden in der Welt geben kann ohne einen Frieden der Religionen.“

Der Ukraine-Krieg, so Bischof Meier weiter, zeige „in bedrohlicher Nähe, dass der Versuch der gewaltsamen Interessensdurchsetzung immer noch zum Instrumentarium der Politik gehört.“ Man dürfe aber nicht „der Versuchung erliegen, Gewalt auf jene Phänomene zu reduzieren, in denen sie gleichsam in ihrer augenscheinlichsten Version auftritt. Der Keim von Gewalt steckt in allen Ungerechtigkeiten. Gewaltbehaftet sind dann auch Wirtschaftsbeziehungen und -systeme, die auf Ausbeutung und Unterdrückung basieren. Gewaltbehaftet sind Diskriminierungen und Ausgrenzungen. Und Gewalt kann auch in allem Unversöhnten und der unaufgearbeiteten Vergangenheit stecken. Denken Sie nur daran, wie viel Unheil die Zeit des Kolonialismus über Menschen und Völker gebracht hat und wie sehr dies bis heute nachwirkt.“ Unverzichtbar für den Frieden in der Welt sei die „uneingeschränkte Geltung der universalen Menschenrechte“, sagte Meier: „Frieden und Menschenrechte gehören zusammen.“

Darauf folgten beiden Vorträge von Dr. Ulrich Lincoln und Prof. Dr. Muna Tatari zum Verhältnis theologischer Anthropologie zu Friedens- und Gewaltorientierungen aus christlicher und islamischer systematisch-theologischer Perspektive.

Am Freitagabend fand der Empfang der Deutschen Bischofskonferenz für die Partner im christlich-islamischen Dialog statt. Im Zentrum des Empfangs stand – nach einem Abendgebet mit geistlichem Impuls von Bischof Bertram Meier und nach Grußworten von Bischof Bertram Meier (Video) und Muna Tatari (Video) vonseiten des Forums – ein Gespräch zwischen Pater Dr. Anselm Grün OSB (Abtei Münsterschwarzach) und Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi (Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster) zur Frage der geistlichen Begegnung zwischen Christen und Muslimen. Dabei ging Grün auf die grundlegende Haltung des Dialogs ein: „Es geht beim Dialog nicht um Rechthaben, sondern um den Austausch von Erfahrungen. Die spirituellen Erfahrungen sind im Islam und im Christentum sehr ähnlich, nur die Deutung ist verschieden. Entscheidend ist die gemeinsame Erfahrung, die wir miteinander teilen und uns so gegenseitig bereichern.“

Professor Karimi wiederum schilderte seine persönliche Dialog-Erfahrung: „Die bleibende Bezogenheit zwischen uns ist essenziell. Ich habe die Schönheit des Christentums aus dem Herzen eines Christenmenschen erleben können. Der Dialog öffnet uns füreinander und verpflichtet zu einem nachhaltigen Miteinander.“

Am Samstag umriss Dr. Andreas Hasenclever, Professor für Friedensforschung und Internationale Politik am Institut für Politikwissenschaft (IfP) der Universität Tübingen „Perspektiven der Friedens- und Konfliktforschung“ auf das Themenfeld „Religionen und Gewalteskalation„. Es schlossen sich Kurzvorträge an von Professor Dr. Heinz-Gerhard, Leitender Direktor des Instituts für Theologie und Frieden (ithf) und von Professor Dr. Ufuk Topkara vom Lehrstuhl für Vergleichende Theologie in islamischer Perspektive am Berliner Institut für Islamische Theologie.

Nachmittags wurden verschiedene Arbeits- und Forschungsprojekte aus dem Gesamtbereich der christlich-islamischen Beziehungen vorgestellt.

Anschließend vertieften drei parallele Sektionen von Thematischen Foren“ unterschiedliche Aspekte der Rahmenthematik.

Am Samstagabend stellte Professor Dr. Abu-Nimer (Direktor des Peacebuilding and Development Institute an der American University) Konzepte und Umsetzungen islamisch motivierter Friedensarbeit vor.

Der Sonntagvormittag ermöglichte erneut eine Vertiefung in drei parallelen Thematischen Foren.

Den Abschluss bildete eine Paneldiskussion mit Prof. Dr. Dirk Ansorge (Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt/Main), Friedrich Kramer (Landesbischof der EKMD und Friedensbeauftragter der EKD), Matthias Eder (Agiamondo/Ziviler Friedensdienst/Institut für interreligiösen Dialog und islamische Studien im Tangaza University College, Kenia) und Dr. Hatem Elliesie, MLE (Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung).

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